Und manchmal muss ich einfach raus aus meiner kleinen Welt, die sich viel zu oft nur auf 21m² erstreckt. Raus aus dem Zimmer, in dem mir ach so viele Bücher über ach noch so viel mehr Zahlen, Personen und Ereignisse die Luft zum Atmen nehmen. Es wird mir zu eng zwischen all den Fakten, Tatsachen und der Menschheitsgeschichte, zwischen frühmittelalterlichen Königinnen und Werbesprache, zwischen Untergangsszenarien und Medienbildung, zwischen meinen eigenen Gedanken und den Gedanken anderer, aus fernen Ländern, längst vergangenen Zeiten oder derer, die mir auf den sozialen Netzwerken begegnen. All diese Gedanken zeichnen konzentrische Kreise - der eine mag es Hermeneutik nennen, der andere sieht eine Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt. Für mich sind die Bahnen meiner Gedanken plötzlich wie Schlingen, die sich um meine Seele schnüren, immer enger, immer drückender, immer fester -ich muss raus!
Also Sneaker an, Jacke drüber, Musik aufdrehen, Tür zu und einfach raus, raus in die letzten Strahlen der Sonne, die dem Tag auf ihre wunderbare, einzigartige Weise Lebewohl sagen und gleichzeitig das Versprechen auf ein morgiges Wiedersehen geben. Wie flüssiges Gold tropft ihr Licht auf die Welt; auf Blatt, Blüte, Grashalm, auf Dachziegel, Mauerstein und Asphalt. Es ist als würde König Midas umgehen und mit seinen Fingern sanft und gedankenverloren, wahllos und willkürlich über alles streichen … im Vorbeigehen … mit geschlossenen Augen und einem Lächeln auf den Lippen. Nur ist diese Szenerie weniger tragisch, mehr magisch.
Ich atme die goldene Luft, ich fühle die Wärme der Sonne, die sapio-sensitiven Schlingen lassen mein Innerstes frei, das entfesselt in den seichten Sommerabend blickt. Und plötzlich habe ich wieder Kinderaugen, es ist als würde ich die Welt zum ersten Mal sehen, ich gehe durch die Straßen mein Blick weitet sich und mein Herz mit ihm. Erleichterung, Wärme und Frieden ist das, was ich gerade spüre. Geküsst von der Sonne bin ich und die ganze Welt, berührt von ihren goldenen Strahlen, dessen Licht meine Seele nun reflektiert. Ich fühle mich frei, dankbar und wehmütig zugleich. Dieser Sommerabend berührt mich mit seiner goldenen Farbe, seinem schweren, warmen Duft von Orchideen und Rosen.
Viel zu oft scheint meine Welt viel zu klein, doch hinter den Stäben meiner eigenen Beschränkungen ist die Welt so groß, denn es gibt eine Welt dort hinter. Ich weiß, was der Panther nicht weiß, doch ich nutze mein Wissen viel zu selten. Viel zu oft lebe ich auf 21m², viel zu oft hängt mein Blick nur an Buchstaben, Wörtern, Sätzen, fernab von der eigentlichen Schönheit dieser Welt. Ich pferche mich selber ein, ich lebe selbstbestimmt auf den 21m² in meinem Kopf und nur manchmal breche ich aus und nichts fühlt sich besser an als das!
Die Welt ist wunderschön an solch' goldenem Sommerabend…
Und so gehe ich durch die Straße, mein Blick nicht mehr getackert an Papier, sondern froh und frei schweift er über den Horizont. Der Horizont, der so weit ist, den ich aber von meinen 21m² nicht sehen kann. Und an diesem Horizont gleitet die Sonne hinab und mit ihr neigt sich auch dieser Tag zu Ende, für sie steht ein Schichtwechsel an, für mich ein Sichtwechsel: Sie geht unter in ihrem goldenen Glanz, macht Platz für den Mond mit dem silbrigen Schimmer und ich gehe Heim mit ganz viel Platz in meinem Herzen für so viel mehr, als durch geschlossene Türen und wenige Fenster zu erfahren ist.
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