Dampf, Qualm und Lärm füllt den Raum bis zur Schädeldecke. Aus jeder Ecke hört man Getöse, es klappert die Druckerpresse, es klimpern die Steckbuchstaben und von rechts erklingt ein hektisches Tippen auf einer Schreibmaschine.
„Wir brauchen eine neue Druckvorlage“, ruft der Mann mit der Schiebermütze, welcher die Presse bedient. Immer wieder klappt er den Deckel runter und wieder hoch – Papiere fliegen durch den Raum, segeln zu Boden, welchen man kaum noch sieht. Zwei junge Frauen eilen heran, die Absätze ihrer Pumps erfüllen den Raum mit einem kurzen, intermezzohaftem Klackern. Sie begeben sich zu den Steckplatten, ihre suchenden Finger lassen die einzelnen Buchstabenplättchen klingeln, während die Reflektionen der metallenen Bewegungen unruhige, helle Flecken an die knöcherne Decke werfen.
Katsching – ein weiterer Laut, welcher in regelmäßigen Abschnitten der herrschenden Kakophonie einen eigenen Rhythmus gibt. Wieder ist eine weitere Zeile auf der Schreibmaschine geschrieben, wieder ein Satz zu Papier gebracht. Der Mann an dem Pult wischt sich kurz über die Stirn, es glitzern ein paar Schweißperlen in der Falte zwischen seinen angestrengt blickenden Augen. Katsching – lasset die Spiele auf ein Neues beginnen. Katsching – und ein stetiges Tippen auf der alten, klobigen Tastatur der Schreibmaschine.
Die Frauen im Hintergrund stecken stetig die Buchstaben in die neue Druckplatte. „Geht das nicht schneller? Wir haben Abgabefristen!“, ruft der Schiebermützen-Träger zu ihnen herüber. Die Frauen blicken nur kurz auf und fahren dann mit ihrer Arbeit fort. Noch etwas schneller gleiten ihre Finger über die einzelnen Kästchen der Buchstaben, lautlos in der Lautstärke des restlichen Raumes formen ihre Lippen die einzelnen Worte, welche sie buchstäblich auf die Druckvorlage bringen.
Die Druckerpresse stößt derweilen eine Dampfwolke nach der anderen aus. Immer, wenn ihr Deckel geschlossen wird, um einen neuen Bogen mit gezielter Tinte zu verzieren, ertönt ein gequält anmutendes Stöhnen – wie ein alter Mann, der mühsam Reiskörner von der Erde sammelt. Ihr Ächzen ist die Antwort auf die vielen Tage und Nächte ihres Gebrauchs. Stillstand ist ihr ein fremdes Wort, stets steht sie dampfend und stöhnend in ihrer Ecke und frisst gierig das Papier, um es bedruckt wieder auszuspucken.
Katsching – das war’s für heute. Für wenige Augenblicke erstirbt der Tastenton der Schreibmaschine. Der Schreiber steht auf. „Gute Nacht“, ruft er in den Raum, lüpft seinen Hut und greift nach seiner Aktentasche. Es scheint, der Arbeitstag im kognitiven Büro sei nun zu Ende. Einen Moment lang fehlt ein Instrument der Symphonie.
„Gute Nacht“, ein weiterer Mann lüpft seinen Hut, nachdem er soeben das beinerne Parkett betreten hat durch eine der Synapsen-Türen. Er legt seinen Mantel auf dem Stuhl ab, bevor er sich niedersetzt und wieder zu schreiben beginnt. Katsching – die erste Zeile für ihn, die tausendste an diesem Tag, die aber millionste in diesem Schädel.
Die anderen bleiben vom Schichtwechsel unberührt, sie stecken und drucken munter fort. Die neue Druckvorlage ist fertig. Wieder erschallt das Geräusch der Absätze der Frauen wie Getrappel von winzigen Hufen durch den hohen Raum und wiederholt sich diesmal sogar in einem Echo, welches erst laut er- und dann leiser in der Geräuschkulisse verklingt. Sie tragen die frische Platte zum Mann mit der Schiebermütze, welcher die alte entfernt, wobei einigen Buchstaben sich lösen. Ihr Klirren beim Aufschlag auf den knöchernen Boden scheint niemanden zu interessieren und doch sorgt ihr Ton für eine leichte Zäsur im Musikstück der Arbeit.
Die neue Druckplatte wird aufgelegt, die Druckerpresse geschlossen – das wohlbekannte Ächzen erklingt und schon käut sie das erste Blatt mit neuem Print wieder. „Informationsnachschub!“, ruft der Mann an der Schreibmaschine und weist mit der Hand auf einen Stapel frisch betippten Papiers. Die Tinte glänzt an mancher Stelle noch verräterisch nass. Der Mann mit der Schiebermütze und die Frauen nicken ergeben – das wird die ganze Nacht so gehen. So wie in den letzten Nächten. Kein Stillstand, nur Lärm, Dampf und Rauch in meinen Kopf, wie soll ich dabei nur einschlafen.
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